Hartz IV

Hinter dem Begriff Hartz IV verbirgt sich die umgangssprachliche Bezeichnung für das Arbeitslosengeld II (Alg II). Dieses ist die vierte Stufe der Hartz-Reformen, genau genommen der „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitmarkt“. Deren schrittweise Einführung erfolgte ab dem 01.01.2003 durch die ehemals rot-grüne Bundesregierung. Für die Entwicklung dieser Reformen ist eine Kommission um den ehemaligen VW-Vorstand Peter Hartz verantwortlich. Er ist zudem Namensgeber dieser arbeitsmarktpolitischen und –organisatorischen Neuordnung. Zum 01.01.2005 trat die letzte Stufe dieser Reform, Hartz IV, in Kraft. Seitdem kam es zu einer Reihe von Änderungen bzw. Ergänzungen. Alg II ist Teil der großen Arbeitsmarkt- und Sozialsystem-Reform Agenda 2010. (Hüther/Scharnagel 2005, S. 23-30)

Hartz IV bzw. Alg II entsteht aus der Zusammenlegung der bis dahin getrennt voneinander existierenden Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Auch die Zuständigkeit wird unter einem Dach vereint. Die Kompetenzen der Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) und die des Sozialamtes werden den neu gegründeten JobCentern übertragen. Die JobCenter sind als Arbeitsgemeinschaften (ARGE) der kommunalen Träger und den Agenturen für Arbeit organisiert. daneben gibt es auch getrennte Trägerschaften oder Optionskommunen - hier regelt die Kommune alles selbst.

Auf Hartz IV haben generell alle Menschen Anspruch, sofern sie erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Erwerbsfähig ist: a) wer täglich wenigstens 3 Stunden arbeiten könnte oder b) aufgrund von Pflege- oder Erziehungsaufgaben dies nicht realisieren kann (BA 2007, S. 19). Hilfebedürftig ist, wer den Bedarf für den Lebensunterhalt nicht durch eine zumutbare Arbeit aus eigenen Kräften und Mitteln erreicht (ebd., S. 20). Dies gilt nur für Personen mit einem Alter zwischen 15 und 65 Jahren, wenn sie sich vorwiegend in Deutschland aufhalten und eine gültige Arbeitserlaubnis für die BRD besitzen (ebd. 2007. S.19).

Andere Arten von Leistungen wie z. B. Rentenansprüche haben absoluten Vorrang und müssen zuvor beantragt werden. Für Langzeitarbeitslose bedeutet dies jedoch einen dauerhaften Verlust eines höheren Rentenniveaus. Reell erhöht sich der Rentensatz von Hartz IV EmpfängerInnen derzeit (Stand 2009) um 2,19 Euro im Jahr. Zudem droht eine sogenannte „Zwangsverrentung“. Hieraus können Renteneinbußen von bis zu 18 Prozent entstehen. Die befürchtete Folge ist eine rapide wachsende Altersarmut.

Hartz IV soll das Existenzminimum der es beziehenden Menschen sichern. Stark umstritten ist die Höhe des Alg-II-Regelsatzes. Die Bundesregierung verteidigt diesen als ausreichend und sorgfältig geprüft. Rückendeckung bekommt sie durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts in Kassel vom 23.11.06.

Hartz IV ist an die Rente gekoppelt. Aufgrund der Rentenerhöhung von 1,1 Prozent am 01. Juli 2008 wurde der Alg II Regelsatz für allein stehende Erwachsene von 347 auf 351 Euro monatlich angepasst. Als zu niedrig sieht dies ein breites Spektrum an Parteien, Verbänden und Initiativen an. Hier werden Forderungen nach einer deutlichen Erhöhung laut. So fordert z. B. Katja Kipping DIE LINKE 435 Euro.

Für KritikerInnen ist Hartz IV zwar existenzsichernd, da niemand Hunger leiden muss, jedoch der Einstieg in die (relative) Armut. Die betroffenen EmpfängerInnen selbst fühlen sich zunehmend ungerecht behandelt. In Berlin geht Anfang 2008 die 50.000 Klage, seit 2003, gegen einen Hartz-IV-Bescheid ein. Bundesweit gingen 2007 99.200 Klagen ein. Davon allein in Berlin 18.300. (DPA 2008)

Alg II wird aufgrund einer Erhebung des Jahres 2003 berechnet. Alle Kosten sind prozentual erfasst (BMAS 2008, S. 38). Ansteigende Energiekosten, Inflation oder die Mehrwertsteuererhöhung von 2007 sind darin nicht berücksichtigt. Als Folge können Hartz-IV-EmpfängerInnen immer weniger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Neben dem oftmals nicht ausreichenden Regelsatz wird auch der Zwangscharakter der Zahlungen von vielen Menschen als ungerecht empfunden. Beim nicht Aufnehmen einer zumutbaren Arbeit oder bei einem Terminversäumnis kann das JobCenter Kürzungen von 10 Prozent für die Dauer von drei Monaten veranlassen. Bei wiederholtem „Vergehen“ 60 Prozent, und sogar die völlige Streichung, ebenfalls für drei Monate, ist möglich. Bei 15- bis 24-jährigen („U 25“), die einen zugewiesenen Job nicht antreten, kann schon beim ersten Verstoß eine komplette Streichung erfolgen. Statt Geldleistungen werden dann z. B. Essensgutscheine vergeben. Diese werden jedoch nur in bestimmten Geschäften akzeptiert - eine klare Einschränkung der eigenen Entscheidungsfreiheit. Die Entscheidung, welche Arbeit zumutbar ist, obliegt den jeweiligen SachbearbeiterInnen in den JobCentern. (BA 2007, S. 53-56)

Quellen

  • BA: Bundesagentur für Arbeit (2007): SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende. Arbeitslosengeld II/Sozialgeld. Nürnberg
  • BMAS: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2008): Lebenslagen in Deutschland - Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Berlin
  • DPA: Deutsche Presse-Agentur (2008): Klagewelle gegen Hartz IV. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 199. 27.08.08. S.5
  • Hüther, Michael/Scharnagel, Benjamin (2005): Die Agenda 2010: Eine wirtschaftspolitische Bilanz. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Bundeszentrale für politische Bildung. Nr. 32-33. Bonn

Manuel Eigmann
(Werkstatt "Armut in Berlin", WiSe 07/08 / SoSe 08)

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