Wohnungsnotfälle

Der Begriff „Wohnungsnotfall“ wurde vom Deutschen Städtetag 1987 geprägt. Die ursprüngliche Definition lautet:

„Wohnungsnotfälle (...) sind gegeben, wenn Personen

- unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht sind oder

- aktuell von Obdachlosigkeit betroffen sind oder

- aus sonstigen Gründen in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben.

Unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht sind Personen,

denen der Verlust ihrer derzeitigen Wohnung unmittelbar bevorsteht und die dabei ohne institutionelle Hilfe nicht in der Lage sind, ihren Wohnraum auf Dauer zu erhalten oder sich ausreichenden Ersatzwohnraum zu beschaffen oder

denen die Entlassung aus einem Heim, einer Anstalt usw. unmittelbar bevorsteht und die ohne institutionelle Hilfe nicht in der Lage sind, sich ausreichenden Wohnraum zu beschaffen.

Aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind Personen,

die ohne Wohnung sind und nicht in einem Heim, einer Anstalt usw. untergebracht sind oder

die aufgrund ihrer Wohnungslosigkeit gemäß § 14 ff OBG in eine Unterkunft oder in eine Normalwohnung eingewiesen sind.

Aus sonstigen Gründen in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben Personen,

die unzumutbaren oder außergewöhnlich beengten Wohnraum bewohnen oder

die untragbar hohe Mieten zu zahlen haben oder die

eskalierte Konflikte im Zusammenleben mit anderen haben.“

(Koch, Franz u. a.: "Sicherung der Wohnungsversorgung in Wohnungsnotfällen und Verbesserung der Lebensbedingungen in sozialen Brennpunkten - Empfehlungen und Hinweise - ", Deutscher Städtetag, DST-Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 21, Köln 1987)

Mittlerweile gibt es viele Weiterentwicklungen und Ausdifferenzierungen. Die aktuellste ist die des Forschungsverbunds “Wohnungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen” von 2005:

„Zu den Wohnungsnotfällen zählen Haushalte und Personen, die

A aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind, darunter 

A.1 ohne eigene mietrechtlich  abgesicherte Wohnung (oder Wohneigentum) und nicht institutionell untergebracht, darunter

A.1.1 ohne jegliche Unterkunft

A.1.2 in Behelfsunterkünften  (wie Baracken, Wohnwagen, Gartenlauben etc.)

A.1.3 vorübergehend bei Freunden, Bekannten und Verwandten untergekommen

A.1.4 vorübergehend auf eigene Kosten in gewerbsmäßiger Behelfsunterkunft lebend (z. B. in Hotels oder Pensionen)

A.2 ohne eigene mietrechtlich abgesicherte Wohnung (oder Wohneigentum), aber institutionell untergebracht, darunter

A.2.1 per Verfügung, (Wieder-)Einweisung oder sonstiger Maßnahme der Obdachlosenaufsicht untergebracht (ordnungsrechtlich untergebrachte Wohnungsnotfälle)

A.2.2 mit Kostenübernahme nach Sozialgesetzbuch – SGB – II oder SGB XII vorübergehend in Behelfs- bzw. Notunterkünften oder sozialen Einrichtungen untergebracht (durch Maßnahmen der Mindestsicherungssysteme untergebrachte Wohnungsnotfälle)

A.2.3 mangels Wohnung in sozialen oder therapeutischen Einrichtungen länger als notwendig untergebracht (Zeitpunkt der Entlassung unbestimmt), bzw. die Entlassung aus einer sozialen oder therapeutischen Einrichtung oder aus dem Strafvollzug steht unmittelbar bevor (innerhalb eines Zeitraums von  4 Wochen) und es ist keine Wohnung verfügbar

B unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht sind, weil

B.1 der Verlust der derzeitigen Wohnung unmittelbar bevorsteht wegen Kündigung des Vermieters/der Vermieterin, einer Räumungsklage (auch mit nicht vollstrecktem Räumungstitel) oder einer Zwangsräumung

B.2 der Verlust der derzeitigen Wohnung aus sonstigen zwingenden Gründen unmittelbar bevorsteht (z. B. aufgrund von eskalierten sozialen Konflikten, Gewalt geprägten Lebensumständen oder wegen Abbruch des Hauses)

C in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben, darunter

C.1 in Schlicht- und anderen Substandardwohnungen, in die Wohnungsnotfälle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit mit regulärem Mietvertrag untergebracht wurden

C.2 in außergewöhnlich beengtem Wohnraum (nach Haushaltsgröße gestaffelte flächen oder raummäßige Unterversorgung: bei Einpersonenhaushalten Unterschreitung der Mindestwohnfläche von 20 qm; bei Zweipersonenhaushalten von 29 qm oder alternativ: zwei Personen in Ein-Raum-Wohnung; bei Drei- und Mehrpersonenhaushalten: zwei und mehr Personen mehr als zur Verfügung stehende Wohnräume, die Küche nicht mitgerechnet)

C.3 in Wohnungen mit  völlig unzureichender Ausstattung (Fehlen von Bad/Dusche oder WC in der Wohnung)

C.4 in baulich unzumutbaren bzw. gesundheitsgefährdenden Wohnungen (entsprechend den einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen)

C.5 mit Niedrigeinkommen  und überhöhter Mietbelastung (zu berechnen oberhalb der Grenzen von Mindestsicherung unter Berücksichtigung des Entlastungseffektes durch das Wohngeld)

C.6 aufgrund von gesundheitlichen und sozialen Notlagen

C.7 in konfliktbeladenen und Gewalt geprägten Lebensumständen

D als Zuwanderinnen und Zuwanderer in gesonderten Unterkünften von Wohnungslosigkeit aktuell betroffen sind, darunter Haushalte und Personen, die

D.1 mit (Spät-)Aussiedlerstatus in speziellen Übergangsunterkünften, 

D.2 als Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus von länger als einem Jahr von Wohnungslosigkeit betroffen und in speziellen Übergangsunterkünften untergebracht sind

E ehemals von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht waren, mit Normalwohnraum versorgt wurden und  auf Unterstützung zur Prävention von erneutem Wohnungsverlust angewiesen sind, darunter

E.1 in spezifischer institutionell geregelter, zeitlich begrenzter Nachbetreuung (Maßnahmen der persönlichen Hilfe in Wohnungen, sogenanntes „Betreutes Wohnen“)

E.2 ohne institutionell  geregelte Nachbetreuung  aber mit besonderem – punktuellem, partiellem oder umfassendem – Unterstützungsbedarf zur dauerhaften Wohnungsversorgung (wohnergänzende Unterstützung)“

(Forschungsverbund Wohnungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen (Hg.) (2005): Gesamtbericht; S. 8-10). Der Forschungsverbund bestand aus den Instituten: IWU Institut Wohnen und Umwelt GmbH; GSF Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauenforschung e. V.; GISS Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V.

Zusammenstellung: Susanne Gerull (2/2009)

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