Interviews mit zwei Jugendlichen in der ARCHE

Interview 1 vom 03.12.2003, 15-16 Uhr

Miriam Schwarzer, 18 Jahre (Name geändert)

Warum kommst du hierher und wie bist du auf die ARCHE gekommen?

Ich bin mit einer Freundin letztes Weihnachten hierher in die ARCHE gekommen, weil sie meinte, dass es hier schön ist. Dann hat sie mich mitgeschleppt. Ich bin mitgegangen und habe jetzt auch Freunde hier und bin seitdem eigentlich jeden Tag hier. Es sei denn, ich muss für die Schule lernen oder was anderes machen. Doch das ist eher selten. Eigentlich komme ich gleich nach der Schule zur ARCHE und bleibe meistens bis abends. Jetzt mache ich ein Praktikum hier für die Schule und bin schon 2 Wochen hier.

Was hast du in deiner Freizeit gemacht, bevor du in die ARCHE kamst?

Da war ich immer mit Freunden Inliner fahren. Das mache ich jetzt aber auch noch. Doch gerade im Winter, wenn es jetzt so kalt ist, kommen wir immer hierher, da man in der ARCHE viel machen kann. Draußen ist es zu kalt und eh nix los!

Draußen haben wir eher so rumgehangen und hatten eigentlich keine Ahnung, was wir machen sollten. Hier in der ARCHE hat man schon viele Möglichkeiten, wie zum Beispiel Billard, mit Freunden quatschen und so.

Wissen deine Eltern, dass du regelmäßig zur ARCHE gehst?

Ja, mein Vater weiß es. Ich denke, meine Eltern haben ein falsches Bild von der ARCHE. Sie denken, es wäre was für die Penner oder Straßenkinder. Weil es doch heißt: "Wir bringen die Kinder von der Straße weg!" Meine Eltern sagen: " Oh Gott, wo ist sie jetzt", und meine Mum macht sich oft Sorgen. Ich habe ihr oft gesagt, dass an der ARCHE nix Schlimmes ist. Es ist alles ganz normal. Denn da sind halt normale Leute und nicht total runtergekommen. Und selbst wenn, wäre es doch auch nicht so schlimm.

Hast du deine Eltern mal gefragt mit in die ARCHE zu kommen?

Doch, natürlich. Aber das wollen sie nicht. Es ist ihnen zu blöd. Ich denke mal, dass es ihnen unangenehm ist mit in die ARCHE zu kommen, weil sie ja nicht wissen, was hier so abgeht.

Wie sieht dein Verhältnis zu deiner Familie aus?

Ich wohne bei meinem Vater. Meine Eltern sind geschieden. Mit beiden verstehe ich mich so. Na ja, manchmal gibt es schon Streitigkeiten, aber das ist doch normal. Ich habe einen Bruder und eine Halbschwester. Doch mit ihr habe ich eigentlich gar nicht viel zu tun. Ich sehe sie kaum, eigentlich gar nicht. Weil die Frau, mit der mein Vater zusammen war, dann halt irgendwann weg gegangen ist und sie mitgenommen hat. Ich habe sie dann nur noch 2 bis 3 mal gesehen. Sie kam später mit der Kleinen nicht mehr klar. Jetzt ist sie im Heim. Und da komme ich auch nicht ran an sie.

Mein Bruder ist zurzeit in so was wie einer WG, weil er momentan Schwierigkeiten in der Schule hat. Aber wenn er bald in die 7. Klasse kommt, wohnt er wieder zu Hause - denke ich mal.

Was wünschst du dir am meisten?

Ich hätte irgendwann gern zwei Kinder und einen Freund, der lieb ist.

Außerdem würde ich gern in die Richtung Kinder- und Jugenderziehung gehen. Also nach meiner Schule möchte ich gern eine weitere schulische Ausbildung zum Erzieher machen. Es gibt so viele Richtungen später, z. B. auch so eine Arbeit wie in der ARCHE. Man arbeitet nicht nur mit Kleinkindern, sondern auch mit Teenagern. Es wäre schön ihnen zu helfen.

Hat Herr Siggelkow dir schon mal geholfen?

Ja, sehr sogar. Das war so. Ich habe von meiner alten Schule den Bescheid bekommen, dass ich die 10. Klasse noch mal wiederholen soll und das wollte ich nicht. Da bin ich zu ihm gegangen und habe ihn gefragt, ob er mir helfen kann. Es ist schwierig von der Gesamtschule auf die Realschule überzuwechseln, ohne ein Jahr zu wiederholen. Er hat alles geklärt und mein Vater musste am Ende nur einmal zur Schule. Ich habe es mit Bernd gemacht, weil ich dachte, dass er da mehr Chancen hat. Mein Vater hat auch nicht wirklich Zeit dafür gehabt. Er ist in der Nacht arbeiten und dann schläft er tagsüber.

Wie oder als was würdest du die ARCHE beschreiben?

Für mich ist die ARCHE wie ein zweites Zuhause. Ich habe hier Leute, mit denen ich reden kann und Bernd ist auch wie ein Papa für mich. Ich kann halt mit jedem Problem zu ihm kommen. Ich komme auch mit den anderen gut klar. Am Freitag ist immer Jugendstunde und wenn wir ein Problem haben oder auch eins untereinander, können wir darüber sprechen.

Interview 2 vom 27.11.2003, 14:40-14:55 Uhr

Wir nennen ihn hier Dominik Schmidt, 18 Jahre.

Wie bist du zur ARCHE gekommen?

Mmh, als die ARCHE noch in der anderen Straße war, habe ich einfach mal reingeschaut. Das ist 2 bis 3 Jahre her. Dann habe ich Freunde kennen gelernt und nun komme ich öfters. Mein Freundeskreis ist in der ARCHE und auch außerhalb. Doch die außen denken, die ARCHE wäre ein Kinderclub. Viele sind so 13 Jahre. Einige sind älter, auch 19 und 20 Jahre. Natürlich sind auch einige Kinder jünger, teilweise im Kindergartenalter.

Wie oft kommst du in die ARCHE?

Ich bin fast jeden Nachmittag hier, immer wenn es mir zu Hause zu langweilig ist oder ich nichts zu tun habe.

Was machst du so in der ARCHE?

Naja, mit meinen Freunden spiele ich Billard und Tischtennis und meistens sitze ich im Computerzentrum.

Was machst du ansonsten, wenn du nicht in der ARCHE bist?

Ich gehe arbeiten als Aushilfe, um Geld zu verdienen, weil ich keinen Ausbildungsplatz diesen Sommer bekommen habe. Eigentlich würde ich gern eine KFZ-Lackiererausbildung beginnen. Doch dazu braucht man einen relativ guten Realschulabschluss. Ich habe nach der Grundschule den Hauptschulabschluss gemacht. Naja, deshalb habe ich immer zu wenig Geld. Ich wohne noch zu Hause. Meine Mutter ist geschieden. Sie, ihr neuer Freund und ich wohnen zusammen.

Was wünschst du Dir am meisten?

Am meisten wünsche ich mir, dass ich eine Ausbildung zum KFZ-Lackierer beginnen kann und es dann auch schaffe, die Ausbildung bis zum Ende durchzuhalten. Damit würde ich dann viel Geld verdienen. Ich möchte einen Job, damit ich mit meiner Freundin zusammen wohnen kann. Außerdem hätte ich gern eine Familie und 2 bis 3 Kinder.

Doch ich suche noch einen Ausbildungsplatz. Jetzt zum 1. April 2004 und dann zum Sommer bewerbe ich mich wieder. Aber die Aussichten sind schlecht. Die Anforderungen sind für mich einfach zu hoch. Für eine KFZ-Lackiererausbildung braucht man einen Realschulabschluss mit einem Durchschnitt von mindestens 2,0. Den Abschluss würde ich gern nachmachen und habe mich deshalb auch schon an den Schulen beworben. Sie nehmen mich aber nicht. Pech!

Wie oder als was würdest du die ARCHE beschreiben?

Mmh. Als guten Freund. Ein richtig guter Freund und Vater ersetzend. Bernd [ Herr Siggelkow, der Leiter der ARCHE, Anm. d. Red. ] ist wie ein Vater für mich. Es ist immer jemand da, wenn man mal reden will und Bernd hilft mir auch beim Bewerben oder wenn man sonst Probleme hat.

Die Interviews führten:
Olga Arzer
Daniela Siebers
Sophie Straßburger
(Werkstatt "Armutszeugnisse", SoSe 03, WiSe 03/04)

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