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Ein Besuch in der 'Kidsküche' der ARCHEDie ARCHE ist ein Jugendfreizeitprojekt der evangelischen Freikirche im Berliner Bezirk Hellersdorf. Dieses wird von Herrn Siggelkow und der Sozialpädagogin Frau Kostenko betreut. Nach einem ausführlichen Informationsgespräch mit Herrn und Frau Siggelkow und einer Führung durch das gesamte Gebäude der alten Schule essen wir gemeinsam mit in der "Kidsküche". Diese befindet sich im Keller der zweistöckigen Gebäudes. Die Bezeichnung "Suppenküche" wird in der ARCHE nicht verwendet. Eine Suppenküche wird in den Köpfen der Menschen immer mit Obdachlosen assoziiert. Da die ARCHE sich aber hauptsächlich an Kinder, Jugendliche und deren Eltern richtet, wird die kostenlose Essensausgabe der ARCHE "Kidsküche" genannt. Der große, durch kleine Kellerfenster dunkel wirkende Raum ist durch Säulen in zwei Teile getrennt. Eine kleine Schlange bildet sich zum Händewaschen vor einem Waschbecken in der einen Raumhälfte. Dort hängen Aufklärungsplakate an der Wand mit Tipps zum richtigen Zähneputzen, zur gründlichen Körperpflege und zur gesunden Ernährung. In der anderen Raumhälfte befindet sich die Essensausgabe, wo einige weiße Plastiktische mit Stühlen stehen. In der Schulzeit können hier werktags zwischen 13 Uhr und 15 Uhr insgesamt bis zu 100 Personen kostenlos essen. An diesem Tag stehen Nudeln mit Käse-Sahne-Soße auf dem Speiseplan, die zumindest uns sehr gut schmecken. Rund 20 bis 30 Kinder im Alter von schätzungsweise vier bis sechzehn Jahren kommen zum Essen. Viele scheinen sich zu kennen. Sie unterhalten sich über die Schule oder Fußball, tauschen Sammelkarten untereinander aus und essen nebenbei. Es sind mehr Jungen als Mädchen anwesend. Wir Studentinnen werden sofort als Neulinge entlarvt, da wir durch unser Alter und unsere Kleidung auffallen. Ein kleiner Junge (wir schätzen ihn auf zehn Jahre) setzt sich ohne Scheu zu uns an den Tisch. Er isst seine Portion schnell auf und stellt sich noch einmal an der Essensausgabe an. Hinten in der rechten Ecke isst eine Familie zu Mittag, Eltern, zwei kleine Kinder und ein Baby. Zwischendurch kommen immer wieder neue Kinder in die "Kidsküche". Nach dem Essen gehen wir in den Clubraum, wo schon eifrig Billard und Tischtennis gespielt wird. Doch dies ist nur eines von vielen interessanten Freizeitangeboten für junge Menschen in der ARCHE... Auf dem Gang sitzen vier Jugendliche und unterhalten sich über Musik und albern herum. Als wir gehen wollen, kommt uns Frau Kostenko mit zwei Praktikanten im Schlepptau entgegen. Sie war gerade essen und ist auf dem Weg zu einem der vielen Räume, um einigen Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Olga Arzer Interview mit Herrn Siggelkow, dem Leiter der Kinder- und Jugendeinrichtung "Die ARCHE" in Berlin HellersdorfBerlin, den 27.11.2003, 9-10:30 Uhr Um die Lebenssituation armer Kinder in Hellersdorf zu erforschen, wurde von mir ein Interview mit dem Leiter des Kinder- und Jugendzentrums Herrn Siggelkow durchgeführt. Durch die langjährige Erfahrung im Kiez sind ihm die sozialen Probleme bestens bekannt. Wie ist die ARCHE entstanden? Die ARCHE wurde am 25.11.1995 ursprünglich als eine Kirche für Menschen gegründet, die mit der Kirche nichts zu tun haben. Es ist keine klassische Kirche wo man hineingetauft wird, sondern eine Kirche, die sich mit den Menschen und deren Bedürfnissen beschäftigt, die nicht in die normale Kirche gehen. Welchen Grundgedanken hatten Sie bei der Entstehung? Es war für uns wichtig die Struktur der Bevölkerung herauszufinden und die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen und darauf einzugehen. Das große Bedürfnis war, dass es viele Jugendliche und Kinder gab, die ein großes Freizeitangebot benötigten. In dieser Weise haben wir angefangen zu arbeiten, indem wir Freizeitangebote wie Musikunterricht, Theaterkurse und Spiele mit den Kindern geschaffen haben. Wir haben uns mit den Kindern beschäftigt und sehr schnell gemerkt, dass viele Kinder, die zu uns kommen , kaputte Familien haben. Sie kennen oft ihren Vater nicht, erleben häufige Partnerwechsel der Mutter, und die Eltern oder ein Elternteil haben keine Zeit für sie. Diese Defizite versuchen wir auszugleichen, indem wir sozusagen einen Ersatz bieten, einen Ansprechpartner. Sicherlich können wir den klassischen Vater nicht ersetzen, obwohl viele Kinder hier in der Einrichtung die männlichen Mitarbeiter Papa nennen, weil sie sich vielleicht so ihren Vater vorstellen, aber sie kommen mit ihren ganz normalen täglichen Problemen zu uns. Das haben wir versucht so nach und nach zu erkennen und dagegen etwas zu unternehmen. Wie kam es zur Essensausgabe? Das ist eigentlich ein längerer Prozess, der relativ spät anfing. Wir haben immer wieder gemerkt, dass Kinder in unsere Einrichtung kommen und Hunger haben. Es gab Kinder, die am Mittag um halb zwölf nach der Schule in unsere Einrichtung kamen und hier den ganzen Nachmittag bis zum Abend verbrachten. Wir haben dann immer Kuchen auf den Tisch gestellt und der war ratzfatz weg. Dann bekamen wir den Armutsbericht in die Hände gespielt und das Nachbarschaftshaus hat auch in der eigenen Einrichtung ermittelt, dass Kinder eine Mangelernährung aufweisen. Sie gehen ohne Frühstück in die Schule und kommen in die Einrichtung, ohne dass sie zu Mittag gegessen haben und dementsprechenden Hunger haben. Wir wollten dieser Sache auf den Grund gehen und haben im Dezember 2000 in Zusammenarbeit mit der Heilsarmee eine Straßenaktion vor der Alice-Salomon-Fachhochschule gemacht. Wir haben kostenlos Essen an Kinder und Fragebögen zum Thema Nahrungsversorgung verteilt, weil wir nicht nur die theoretische, sondern auch die praktische Umfrage haben wollten. Wir haben innerhalb von einer Woche bei etwa 170 Schülern ermittelt, dass sie in der Woche nur zweimal ein warmes Mittagessen bekommen. Später haben wir diese Aktion auf dem Schulgelände der Konrad-Lorenz-Oberschule am Potsdamer Platz wiederholt. Es stellte sich heraus, dass Kinder eine gewisse Mangelernährung aufweisen. Wir haben dann am 0 3.05.2001 die heutige "Kidsküche" eröffnet, mit dem Gedanken, dass wir 20-30 Kinder mit Essen versorgen. Allerdings war das in der ersten Woche so. Heute kommen über 120 Kinder, Jugendliche und Eltern zum Essen in die ARCHE. Wie definieren Sie Armut? Das ist schwer zu definieren. Arm heißt ja, etwas nicht zu haben oder wenig zu besitzen, was sich nicht immer in Geld widerspiegelt Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland die Armut mit Entwicklungsländern vergleichen können, da sich die Armut bei uns etwas anders konzentriert. Die größte Armut, die ich hier in unserer Einrichtung kenne, ist die zeitliche Armut, weil niemand mehr Zeit für seine Kinder hat. Die Schulen nicht und auch nicht die Betreuer. Es ist alles sehr hektisch, die Kinder haben keinen Ansprechpartner und sehr große Defizite. Dies spiegelt sich durch aggressives Verhalten in der Schule sowie auf der Straße wieder. Die Kinder unternehmen kriminelle Handlungen einfach aus Langeweile. Was sind Ihrer Meinung nach die größten sozialen Probleme Hellersdorf? Ich weiß nicht ob man das so pauschalisieren kann. Man kann nicht sagen, dass Hellersdorf größere soziale Probleme hat als andere Bezirke. Wie reagiert Ihre Einrichtung auf ökonomische Armut der Familien? Wir versuchen auf alle Bereiche der Armut einzugehen. Ich habe ja schon anfangs gesagt, dass sich Armut nicht immer in Geld widerspiegelt. Viele Elternteile sind arbeitslos und beziehen Sozialhilfe. Wir beobachten häufig Vernachlässigungen der Kinder, z. B. wo die Eltern ihre Kinder einfach nachmittags rausschicken und diese erst abends wieder nach Hause kommen dürfen. Inwieweit sehen Sie die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Ihrer Arbeit? Zu Anfang war das natürlich nicht so einfach als Kirche Fuß zu fassen. Viele Menschen, die hier leben, sind Atheisten, wenn man das Wort so gebrauchen soll, da jeder Mensch an etwas glaubt. Ich denke wir waren von Anfang an eine sehr durchschaubare Organisation, die immer öffentlich gearbeitet hat. Wenn man das bildlich bezeichnen kann, haben wir immer ein offenes Schaufenster gehabt, wo jeder reingucken konnte. Die Akzeptanz ist im Prinzip durch unsere Arbeit gewachsen. Wir haben die Leute, die wir auf der Straße getroffen haben, angesprochen und ihnen gesagt, dass wir kirchliche Arbeit machen und außerdem Kinder betreuen. Wir wussten, dass viele Kinder hier nicht herkommen durften, dann aber doch vor der Tür standen. Das haben wir heute gar nicht mehr. Am 31.01.2003 haben wir den Hans-Merkur-Anerkennungspreis für Kinderschutz 2002 verliehen bekommen, was uns natürlich auch in der Öffentlichkeit an Ansehen hat gewinnen lassen. Die Menschen die hierher kommen merken, dass wir mit ihnen vertraulich umgehen und das spricht sich natürlich herum. Hellersdorf ist ein Bezirk wo man noch miteinander redet. Die Eltern treffen sich beim Einkaufen und kommen auf die ARCHE zu sprechen. Welche Veränderungen wünschen Sie sich für Kinder- und Jugendarbeit in Hellersdorf? Sicherlich wünsche ich mir, dass die Einrichtungen, die eine gute Jugendarbeit machen, mehr Möglichkeiten haben, durch mehr Personal noch mehr Kinder und Jugendliche zu erreichen. Es gibt noch viele Kinder in Hellersdorf, die wegen der Schwellenängste in keine Einrichtung gehen. Es sind in Hellersdorf 39 Freizeiteinrichtungen geschlossen worden und die Kinder verteilen sich auf andere Einrichtungen, diese werden jedoch nicht mit Mitarbeitern verstärkt. Wir werden seit 2001 mit nur einer Mitarbeiterstelle gefördert, aber unsere Besucherzahl hat sich fast verdoppelt. A ußerdem wünsche ich mir, dass die Streetworker effektiver arbeiten können und dass ihre Stellen nicht mehr gestrichen werden, damit sie auch vor Ort auf den Spielplätzen mit den Kindern arbeiten können. Mehr zur ARCHE: http://www.kinderprojekt-ARCHE.de Das Interview führte |
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