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Quelle: www.armutszeugnisse.de/glossar/versteckte-wohnungslosigkeit.htm

Versteckte Wohnungslosigkeit

“Von versteckter Wohnungslosigkeit wird dann gesprochen, wenn ein Mensch in Ermangelung einer eigenen Wohnung bei Bekannten, Freunden etc. lebt, um dem Schicksal Straße zu entgehen. Diese Form ist oftmals mit sexueller, emotionaler und/oder anderer Ausbeutung verbunden. (...) Ebenfalls Anwendung findet dieser Begriff überdies etwa bei Personen, denen eine Unterkunft vom Arbeitgeber für die Dauer des Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses zur Verfügung gestellt wird.” (Sozialverein B37 2006: 8)

Versteckte Wohnungslosigkeit wird oft nicht explizit als eigene Form der Wohnungslosigkeit beschrieben, sondern als ein Teil eines übergeordneten Begriffes. So fallen bei der Definition von FEANTSA - dem europäischen Verband nationaler Organisationen der Wohnungslosenhilfe - versteckt Wohnungslose als eine Personengruppe unter den Begriff ‚ungesichertes Wohnen’. Sie werden beschrieben als Menschen, deren Wohnmöglichkeit ungesichert ist, weil sie bei Verwandten, Bekannten oder FreundInnen wohnen, sie kein legales Mietverhältnis haben oder illegal Gebäude oder Land besetzen. (Vgl. FEANTSA 2007)

Auch bei dem Vorschlag der UN zu einer Begriffsdefinition ist die versteckte Wohnungslosigkeit ein Teil unzureichenden Wohnens: “Die ExpertInnengruppe fasst unter dem Begriff der versteckten Wohnungslosigkeit Menschen zusammen, die bei Familienmitgliedern oder Freunden leben, weil sie sich keine eigene Unterkunft verschaffen können.“ (zit. n. Fischelmayer-Pruckner 2009: 13)

Als wichtigste Charakteristika der versteckten Wohnungslosigkeit gelten Unsichtbarkeit und Geheimhaltung der Wohnungsnot. Versteckt Wohnungslose nehmen keine öffentliche Hilfe in Anspruch und sind so unsichtbar für das System der Wohnungslosenhilfe. (a. a. O.: 2009: 17)

Es kann differenziert werden zwischen verschiedenen Typen versteckter Wohnungslosigkeit: Wohnen

- bei FreundInnen

- in Firmenunterkünften

- in institutioneller Fürsorge

- bei wechselnden persönlichen und /oder sexuellen Beziehungen

(Novak u. a. 2000, S. 6)

Die Definition von versteckter Wohnungslosigkeit ist - wie man an den oben angeführten Beispielen sieht - nicht eindeutig; das Wohnen bei FreundInnen und Verwandten z. B. wird bei jeder Definition genannt, aber die Inanspruchnahme von Firmenunterkünften, institutioneller Hilfe oder das illegale Wohnen finden sich nicht in jeder Beschreibung.

Ein ganz wesentlicher Aspekt von versteckter Wohnungslosigkeit ist, dass sie eine typische Erscheinungsform von Frauen-Wohnungslosigkeit ist. „Frauen versuchen, Wohnungslosigkeit zu vermeiden bzw. entstandene Wohnungslosigkeit verdeckt zu leben und ihre Notlage zu verbergen, um die gesellschaftliche Anerkennung als Frau nicht ganz zu verlieren. Sie gehen aufgrund der gesellschaftlichen Zuschreibung davon aus, dass ihre Armut als persönliches Versagen und Schande gilt.“ (bawo Wien o. J.)

Frauen suchen oft in erster Linie „private Lösungsansätze“, das heißt sie finden oft Unterschlupf bei FreundInnen und Bekannten, was es ihnen möglich macht, unsichtbar zu bleiben. Eine weitere Erscheinungsform ist das Unterkommen bei ZweckpartnerInnen und Zufallsbekanntschaften, wobei Abhängigkeitsverhältnisse entstehen, die typisch für versteckt wohnungslose Frauen sind. (Vgl. Fischelmayer-Pruckner 2009: 18) Für eine Wohnmöglichkeit in der versteckten Wohnungslosigkeit müssen Frauen meist einen hohen Preis bezahlen, nicht in Form von Geld, sondern in Form von sexueller Gefügigkeit, Ertragen körperlicher Gewalt, Abhängigkeit von den UnterkunftsgeberInnen, zusätzlich zu gesundheitlichen Problemen und dem Mangel an Rückzugsmöglichkeiten. (a. a. O.: 24) Um der ‚Schande’ der Wohnungslosigkeit zu entgehen, flüchten sich viele Frauen in Zweckbeziehungen, ertragen Demütigungen ihrer Partner oder verbleiben in häuslichen Gewaltsituationen. Durch die zweckorientierten Partnerschaften entstehen oft Lebensbedingungen, in denen Beziehungsgewalt, Alkohol- und Medikamentensucht und sogar Gelegenheitsprostitution eine Rolle spielen (Vgl. Berghofer 2008: 28).

Versteckte Wohnungslosigkeit ist vor allem bei Frauen ein großes Problem, die Dunkelziffer der versteckt wohnungslosen Frauen ist um ein Vielfaches größer als die Anzahl der die Wohnungslosenhilfe aufsuchenden Frauen. Es ist notwendig, sich deren Probleme und Bedürfnisse sehr genau anzusehen, um für sie annehmbare Angebote zu schaffen.

Quellen

Lina Daniel (Erasmus-Studentin)
(Seminar „Armut, Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit“, WiSe 2009/10)

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