Wege aus der Armut - Bedingungsloses Grundeinkommen aus Sicht der Sozialen Arbeit

Eins der größten Armutsrisiken in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit. In Anbetracht der seit Jahrzehnten vorhandenen Massenarbeitslosigkeit und dem Scheitern der Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt werden immer neue Lösungsansätze entwickelt, die die Menschen aus der Arbeitslosigkeit und damit aus finanziell oft prekären Lagen holen sollen. In diesem Zusammenhang wird vermehrt das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert, welches die gesamte Arbeitswelt und das Sozialsystem revolutionieren würde.

Geld bedingungslos?
Geld bedingungslos?

Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen Ideen und Modellen zum BGE, sie alle eint jedoch der Wunsch nach einer Veränderung des heutigen Systems. Der Ausgangspunkt aller ist die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland. Das erklärte Ziel der herrschenden Politik ist die Vollbeschäftigung, die jedoch im aktuellen System als reine Illusion gilt. Reintegration in den Arbeitsmarkt durch Fördermaßnahmen scheitern, und das mangelhafte soziale Sicherungssystem bewahrt vielfach nicht von Armut. Zusätzlich steht der enorme bürokratische Aufwand für Antrag und Bewilligung einer unübersichtlichen Anzahl an Leistungen in der Kritik (Benz 2009: 211 f.) Das soziale System kann den Bedürfnissen der großen Zahl an Arbeitslosen durch immer knappere Kassen kaum gerecht werden, und Armut und soziale Ausgrenzung kann es nicht verhindern. Diese werden sogar durch Hartz-IV eher noch gefördert (Werner 2008: 90 ff.). Die Forderung nach einem Systemwechsel wird laut.

Eine Alternative stellt nun das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) dar. Es ist eine monetäre Leistung für alle BürgerInnen, garantiert durch einen gesetzlichen Anspruch, der Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Wichtig ist, dass es bedingungslos sein muss, also weder an Bedarf noch an Einkommen oder an Gegenleistungen gekoppelt sein kann. Beantragt werden muss das BGE nicht, eine Anspruchsrechtfertigung oder Bedürftigkeitsprüfung ist nicht nötig. Im Gegenzug entfallen alle sonstigen Sozialleistungen wie Kindergeld, BAföG, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe.

Als das wohl bekannteste und öffentlich am häufigsten diskutierte Modell wird nachfolgend das des Unternehmers Götz Werner vorgestellt. Werner sieht in seinem Konzept für jeden Menschen von der Geburt bis zum Tode einen monatlich garantierten Betrag von ca. 1.000-1.500 Euro vor, der ein menschenwürdiges Leben ohne Erwerbsarbeit möglich mache. Sämtliche Steuern sollen wegfallen, die einzige staatliche Einnahmequelle und Grundlage der Finanzierung des BGE soll eine neu eingeführte hohe Konsumsteuer sein. (Werner 2008)

Ein Gegenkonzept dazu ist die sogenannte negative Einkommenssteuer. Das bekannteste Modell wurde von Dieter Althaus (CDU) erstellt, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Thüringens. Es gewährt allen Erwachsenen ein Bürgergeld in Höhe von 800 Euro. Je höher das Erwerbseinkommen ist, desto höher werden Steuerabgaben und die Abzüge vom Grundeinkommen. Althaus tritt für ein bloß existenzsicherndes Bürgergeld ein, dessen zentrales Ziel die Erwerbsarbeit aller ist, welche dementsprechend gefördert werden soll (näheres unter http://www.solidarisches-buergergeld.de/index.php/de/konzept). Als drittes Modell soll hier noch das Grundeinkommenskonzept des Bundes der katholischen Jugend (BDKJ) Erwähnung finden, da dieses eine Besonderheit aufweist. Der BDKJ tritt für eine gewisse Bedingtheit des Grundeinkommens ein: Alle EmpfängerInnen der geforderten 600 Euro werden zu gemeinnütziger Arbeit im Umfang von 500 Stunden im Jahr verpflichtet. Damit soll die Anerkennung und Förderung von Tätigkeiten abseits von Lohnarbeit erreicht werden. (Hellmeister u. a. 2007)

Die Vielzahl an BGE-Modellen lässt erahnen, dass es seit Jahren eine rege Diskussion um das BGE im Allgemeinen und dessen verschiedene Konzepte im Speziellen gibt. Bei der Betrachtung der Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen wird einem bewusst, dass ein solcher Systemwandel die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern würde. Ob ein BGE die gewünschten Effekte erzielt, ist dabei abhängig vom Modell: Wenn das ausgezahlte Grundeinkommen niedrig ist besteht die Gefahr, dass wirtschaftliche Interessen siegen, aber Armut tatsächlich nicht bekämpft wird. Auch bei möglichen Bedingungen für den Erhalt eines Grundeinkommens oder dem drohenden Abbau von sozialen Leistungen geht es nicht mehr unbedingt um Menschenwürde und Gerechtigkeit.

Gleichzeitig gibt es in allen Modellen Probleme bei der Umsetzbarkeit des BGE. Die wenigsten Modelle legen klare Finanzierungsvorschläge vor, und eine Umsetzung gegen internationale wirtschaftliche Interessen ist höchst schwierig. Außerdem bleibt immer noch eine wesentliche Frage: Wer legt die Höhe des Grundeinkommens fest? Die Bedingungen könnten sich unter BGE so verändern, dass das Grundeinkommen unterhalb der Armutsgrenzen liegt. Dann würde es praktisch doch wieder zu einem Zwang zur Erwerbsarbeit kommen. Weil aber davon auszugehen ist, dass Löhne dann viel niedriger sind, könnten große Bevölkerungsgruppen in Armut abrutschen. Trotzdem sollte dies kein Grund sein, nicht über ein BGE nachzudenken und die herrschenden ungerechten und menschenunwürdigen Verhältnisse zu akzeptieren. Ob BGE allerdings eine realistische Alternative auf dem Weg aus der Armut ist, bleibt erst einmal unbeantwortet. Die Diskussion darüber weiterzuführen ist allerdings auf jeden Fall begrüßenswert.

Quellen

  • Benz, Benjamin (2009): Perspektiven der Mindestsicherung. In: Konrad Maier (Hg.): Armut als Thema der Sozialen Arbeit. FEL Verlag Forschung-Lehre-Entwicklung: Freiburg, S. 209-230
  • Hellmeister, Heike/ Perrey, Olaf/ Rückin, Ulrich (2007): Bedingungsfreies Grundeinkommen – Ideen, Konzepte, Streitpunkte. Sozio-Publishing: Belm-Vehrte
  • Werner, Götz W. (2008): Einkommen für alle. Verlagsgruppe Lübbe: Bergisch Gladbach

Lisa Spuhler
(Seminar Armut, Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit, WiSe 2011/12)

 

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